Aktualisiert am 1. Februar 2023 von Selda Bekar
Ist Flugangst real oder wird sie durch eine unsachliche Berichterstattung verstärkt?
Gehören Sie auch zu den Menschen, die vor einem Flug die Nachrichten meiden, um die Angst nicht zu verstärken? In diesem Beitrag geht es um die Rolle der Medien bei Unglücken, ihr Nutzen und mögliche Risiken.
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Flugangst Test
Angst ist keine Krankheit
Jeder Mensch kennt Dinge oder Ereignisse, die in ihm Angst auslösen. Das können wilde Tiere sein, Krankheiten, der Verlust geliebter Menschen die Angst vor Unfällen. Ängste können aber auch irrational sein. Die Angst vor Menschen oder vor Regen sind dafür nur zwei Beispiele. Die normale Angst ist wichtig. Sie hält uns davon ab, uns in Gefahr zu begeben und sie trägt dazu bei, dass wir auf andere achten, wenn wir eine Gefahr erkennen. Angst selbst ist also nicht das Problem, sondern eher die Art und Weise, wie sehr sie uns beeinträchtigt.
Lesen Sie aufmerksam!
Wenn Sie einen Flug planen und sich vor schlechten Nachrichten fürchten, lesen Sie die Zeitung unbewusst sehr gründlich und sehen sich auch die Nachrichten im Fernsehen besonders kritisch an. Sie sind jetzt sensibilisiert. Wenn nur das Wort Flugzeug fällt, werden Sie hellhörig. Ist von einem Beinaheabsturz oder eine Notlandung die Rede, wird sich nur der Notfall in Ihre Wahrnehmung einbrennen, nicht aber, dass der Pilot dank seines Könnens ein aufgetretenes Problem gemeistert hat, gerät sehr schnell wieder in Vergessenheit. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie deshalb den Eindruck bekommen, dass Unglücke allgegenwärtig sind. Sie können Ihr kritisches Leseverhaltentesten, indem Sie sich für ein anderes Thema sensibilisieren, dass Ihnen keinen Stress bereitet, z. B.
- Ernährung
- Stau
- Finanzen
Auch diese Themen sind allgegenwärtig in den Medien. Führen Sie eine Strichliste, wenn einer dieser Schwerpunkte in einem Zeitungsartikel auftaucht oder Inhalt eines Fernsehbeitrages ist. Sie werden feststellen, dass das sehr viel häufiger der Fall ist, als die Berichterstattung über Flugzeugunglücke.
Wenn Sie jetzt denken: „Ja natürlich, Flugzeugunglücke sind ja auch sehr viel seltener als ein Stau, Finanzprobleme oder Fleischskandale“, haben Sie schon realisiert, dass Flugzeugunglücke selten sind.
Warum schlachten die Medien Unglücke aus?
Angst ist eine Emotion, die den Menschen sehr beschäftigt. Alles was den Menschen sehr beschäftigt, gehört in die Medien. Dazu gehören auch Unglücke. Bei der Berichterstattung geraten Zeitungen und Fernsehsender in einen Konkurrenzkampf. Wer zuerst berichtet, bekommt die meiste Aufmerksamkeit, und das kann der Seriosität schaden. Von „breaking news“ bis „update“ sorgen kurze Schlagzeilen dafür, dass der Leser erhalten bleibt. Die Informationen kommen häppchenweise und sorgen ebenfalls dafür, dass die Leserschaft erhalten bleibt. Das hat sich dadurch verschärft, dass Nachrichten im digitalen Zeitalter in Echtzeit veröffentlicht werden.
Unseriöse Berichterstattung meiden
Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich die Medien bei spektakulären Unglücken nicht zurückhalten. Vor allem die Boulevardpresse wird sich ausführlich damit befassen. Sobald neue Erkenntnisse ausbleiben, werden zurückliegende Ereignisse hervorgeholt und neu beleuchtet. Auch Vergleiche sind an der Tagesordnung. Darüber hinaus gehören Interviews in dieser Phase zur Berichterstattung dazu. Neben Betroffenen, Angehörigen, Politikern und Rettungskräften werden auch Experten befragt, die ihre Einschätzung abgeben und sich zum Sachverhalt äußern.
Beeinflusst uns die Berichterstattung?
Unglücke sorgen für Aufregung, aber auch für Entsetzen. Bis zu einem gewissen Grad ist die Neugier über die Hintergründe normal. Was wir verstehen macht uns weniger Angst. Auch deshalb werden Berichte über Unglücke von vielen Menschen sehr sorgfältig gelesen.
Das alles wird Ihnen das Gefühl geben, dass Sie mitten in den stattfindenden Diskussionen sind. Das Unglück wird Sie auch dann noch beschäftigen, wenn Sie die Zeitung beiseite gelegt oder den Fernseher ausgeschaltet haben. Das wird vermutlich so lange der Fall sein, wie neue Erkenntnisse veröffentlicht werden. Es kann also Wochen dauern, bis ein einziges Unglück nicht mehr Tagesthema in den Nachrichten ist. Für gewöhnlich greifen auch die Magazine die Ereignisse auf, was die Medienpräsenz des Unglücks noch einmal verlängern kann. Auch mit kleineren „Nachbeben“ ist zu rechnen, wenn sich durch andere Geschehnisse Parallelen zeigen.
Die Verantwortung der Medien
Die Medien unterliegen einem Pressekodex, dem sie sich selbst verpflichtet haben. Oberstes Organ ist der Presserat. Der Presserat kann einen Hinweis, eine Missbilligung oder eine Rüge aussprechen. Die Rüge kann öffentlich oder nicht-öffentlich sein. Eine öffentliche Rüge muss öffentlich vom gerügten Medium sichtbar gemacht werden, z. B. kann das ein Abdruck in der Zeitung sein. Eine Rüge hat keine rechtlichen Konsequenzen, ist aber für verantwortungsvolle Journalisten sehr unangenehm.
Wie lese ich einen Beitrag, der mir Angst macht
Natürlich könnte man darauf sagen: „Lesen Sie ihn gar nicht!“ Es ist allerdings oft so, dass die Gedanken dann noch mehr um den Artikel kreisen. Der wichtigste Rat ist daher: Weichen Sie der Boulevardpresse aus. Schalten Sie seriöse Nachrichtensender ein oder informieren Sie sich auf deren Webseite. Achten Sie auch in den sozialen Netzwerken darauf, sich vor reißerischen Berichten zu schützen.
- Behalten Sie im Hinterkopf: Auch wenn ein Unglück die Medien beherrscht, es handelt sich um ein einziges Ereignis.
Lassen Sie die Angst zu
Es ist normal, dass uns Schreckensnachrichten beunruhigen. Sprechen Sie mit Freunden und Verwandten darüber, machen Sie sich Gedanken, aber horchen Sie in sich, ob Sie nur verunsichert sind oder bereits in Panik ausbrechen.
- Lassen Sie nicht zu, dass Angst Ihr Leben einschränkt
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird in den Medien nach einiger Zeit Ruhe einkehren. Das ist Phase für die aufklärende Berichterstattung. Jetzt ist eine gute Zeit, sich über die Hintergründe zu informieren. Bevorzugen Sie seriöse Zeitungen, die auf drastische Beschreibungen und Bilder verzichten. Sie müssen nicht die Details kennen. Für Sie ist wichtig zu wissen, was warum passiert ist.
Wo informieren?
Wenn es nun ausgerechnet vor Ihrem geplanten Flug zu einer verstärkten Berichterstattung über Flugzeugunglücke kommt und Sie sowieso schon unter Flugangst leiden, sollten Sie die Initiative ergreifen. Stellen Sie sich Ihrer Angst und lesen Sie sich intensiv zum Thema ein.
- Wenn Sie vor einer längeren Autofahrt von einem schweren Autounfall hören, verzichten Sie dann auf die Autofahrt?
- Wenn Sie von einem Überfall hören, gehen Sie dann nicht mehr auf die Straße?
- Wenn Sie von einem Lebensmittelskandal hören, verzichten Sie dann auf dieses Nahrungsmittel?
Sicher nicht, aber Sie werden etwas vorsichtiger. Auf der Autobahn achten Sie mit Sicherheit stärker auf andere Fahrer und während der ganzen Fahrt konzentriert und lassen sich kaum ablenken. Nach einem Überfall in Ihrer Gegend werden Sie vielleicht nicht durch die dunkelsten Straßen gehen und Sie werden die Umgebung sorgfältig im Auge behalten. Nach einem Lebensmittelskandal werden Sie Ihren Einkauf sorgfältiger auswählen, damit Sie gesund bleiben.
- Entscheiden Sie sich nach einem Flugzeugunglück für eine seriöse Fluggesellschaft. Das Leben ist nicht absolut sicher. Aber die Wahrscheinlichkeit für Unfälle ist für unsichere Menschen höher als für sehr unsichere Menschen, die allen möglichen Gefahren ausweichen wollen.