Fluggastrechte: Alle Einzelheiten

Aktualisiert am 1. Februar 2023 von Selda Bekar

FluggastrechteFindet der Flug nicht wie vereinbart statt, hat der Passagier unter Umständen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich. Und bei einer erheblichen Verspätung muss die Fluggesellschaft kostenfrei Betreuungsleistungen erbringen. Die Grundlage dafür schafft eine EU-Verordnung über Fluggastrechte.

Die einen können kaum erwarten, bis es endlich losgeht. Die anderen wären froh, wenn sie den Flug nur schon hinter sich hätten. Doch auch im Flugbetrieb läuft nicht immer alles glatt. Und so kann es passieren, dass der Flieger erst mit deutlicher Verspätung abhebt. Oder dass ein Flug komplett gestrichen werden muss. Oder dass der Passagier nicht mitfliegen kann, weil sein Flug überbucht ist. Aber ein solches Ärgernis muss der Fluggast nicht stillschweigend hinnehmen. Denn als Ausgleich kann er einen finanziellen Ausgleich von der Fluggesellschaft verlangen. Und bei einer deutlichen Verspätung muss sich die Fluggesellschaft um das Wohl des Fluggastes kümmern. Die Regelungen hierzu ergeben sich aus der EU-Verordnung Nr. 261/2004, die die Rechte von Fluggästen bestimmt. Welche Fluggastrechte dabei konkret gelten, erklärt dieser Beitrag.

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Die Fluggastrechte bei Überbuchung

Kann der Fluggast nicht mitfliegen, beispielsweise weil die Maschine überbucht ist, kann er sich den Flugpreis komplett erstatten lassen. Alternativ kann er von der Fluggesellschaft verlangen, dass sie ihm einen Ersatzflug anbietet. Dabei kann der Fluggast wählen, ob der Ersatzflug möglichst zeitnah oder an einem Wunschtermin stattfinden soll. Hat der Fluggast bereits einen Teil der Strecke zurückgelegt und macht ein Weiterflug zu einem späteren Zeitpunkt keinen Sinn, hat er neben der Erstattung des Flugpreises Anspruch auf einen kostenfreien Rückflug zum Startflughafen.

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Zusätzlich zur Erstattung des Flugpreises oder einem Ersatzflug kann der Fluggast eine Ausgleichzahlung von der Fluggesellschaft verlangen. Wie hoch der finanzielle Ausgleich ausfällt, hängt davon ab, wie lang die Flugstrecke ist und mit wie viel Verspätung der Fluggast an seinem Ziel ankommt. Grundsätzlich bewegt sich die Höhe der Augleichsleistungen zwischen 125 und 600 Euro. Dabei gilt, dass der finanzielle Ausgleich mit der Länge der Flugstrecke und der Dauer der Verspätung steigt.

Konkret sieht die EU-Verordnung folgende Ausgleichszahlungen vor:

Länge der Flugstrecke Verspätung Ausgleichsleistung
bis 1.500 km maximal 2 Stunden 125 Euro
bis 1.500 km über 2 Stunden 250 Euro
über 1.500 km innerhalb der EU sowie 1.500 bis 3.500 km außerhalb der EU maximal 3 Stunden 200 Euro
über 1.500 km innerhalb der EU sowie 1.500 bis 3.500 km außerhalb der EU über 3 Stunden 400 Euro
über 3.500 km maximal 4 Stunden 300 Euro
über 3.500 km über 4 Stunden 600 Euro

Aber: Voraussetzung für Leistungen der Fluggesellschaft ist immer, dass sich der Fluggast rechtzeitig und mit einem gültigen Flugticket am Check-in-Schalter eingefunden hat.

Die Fluggastrechte bei Annullierung

Wird ein Flug komplett gestrichen, hat der Passagier grundsätzlich die gleichen Fluggastrechte wie bei einer Nichtbeförderung wegen einer Überbuchung. Auch hier kann sich der Fluggast also den Flugpreis erstatten lassen oder einen Ersatzflug verlangen und einen finanziellen Ausgleich fordern. Die Höhe der Ausgleichszahlungen bei einer Annullierung ist genauso geregelt wie bei einer Überbuchung.
Allerdings muss die Fluggesellschaft nicht in jedem Fall eine Ausgleichzahlung leisten. So hat der Fluggast keinen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich, wenn die Fluggesellschaft den Fluggast

  • mindestens zwei Wochen vorher über den gestrichenen Flug informiert hat.
  • eine bis zwei Wochen über den gestrichenen Flug informiert und einen Ersatzflug anbietet, der höchstens zwei Stunden früher geht und höchstens vier Stunden später am Ziel ankommt.
  • weniger als sieben Tage vorher über den gestrichenen Flug informiert und einen Ersatzflug anbietet, der höchstens eine Stunde früher startet und höchstens zwei Stunden später das Ziel erreicht.
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Zu kompliziert? Hier ein Beispiel:

Angenommen, der Fluggast hat einen Flug von Hamburg nach München gebucht. Der Flug soll am 15. August stattfinden, der geplante Abflug ist um 14 Uhr.

  • Erfährt der Fluggast am 1. August, dass der Flug annulliert ist, muss die Fluggesellschaft keine Ausgleichzahlung leisten. Denn bis zum geplanten Abflugtermin sind es noch zwei Wochen.
  • Die Fluggesellschaft informiert den Fluggast am 6. August darüber, dass der Flug gestrichen ist. Gleichzeitig bietet sie einen Ersatzflug an, der a, 15. August um 12:30 Uhr geht. Auch hier muss die Airline keinen finanziellen Ausgleich bezahlen. Denn der Fluggast wurde ein bis zwei Wochen vorher informiert. Und der Abflug des angebotenen Ersatzflugs findet nicht mehr als zwei Stunden vor der ursprünglich geplanten Zeit statt.
  • Die Fluggesellschaft informiert den Fluggast am 10. August über den annullierten Flug. Gleichzeitig bietet sie dem Fluggast einen Ersatzflug an, der am 15. August um 13:15 Uhr startet. Hier wurde der Fluggast recht kurzfristig informiert. Da der angebotene Ersatzflug aber weniger als eine Stunde vor der ursprünglich geplanten Zeit geht, fallen für die Fluggesellschaft keine Ausgleichzahlungen an.
  • Informiert die Fluggesellschaft den Fluggast am 10. August über den annullierten Flug und bietet ihm einen Ersatzflug am 15. August mit einem Abflug um 12:45 Uhr an, hat der Fluggast Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich. Denn der Abflug des Ersatzfluges findet mehr als eine Stunde vor dem geplanten Zeitpunkt statt. Folglich kann der Fluggast 125 Euro als Ausgleich verlangen (Flugstrecke unter 1.500 km).

Aber: Die Fluggesellschaft muss grundsätzlich keine Ausgleichzahlungen leisten, wenn sie den Flugausfall nicht zu verantworten hat. Kann die Fluggesellschaft also nachweisen, dass außergewöhnliche, unvermeidbare oder unvorhersehbare Umstände den Flugausfall verschuldet haben, kann der Fluggast keinen finanziellen Ausgleich verlangen.

Die Fluggastrechte bei Verspätung

Verzögert sich der Start deutlich, schreibt die EU-Verordnung vor, dass die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen erbringen muss. Wann eine erhebliche Verspätung vorliegt, hängt von der Länge der Flugstrecke ab:

Länge der Flugstrecke Verzögerung des Abflugs
bis 1.500 km mindestens 2 Stunden
über 1.500 km innerhalb der EU sowie 1.500 bis 3.500 km außerhalb der EU mindestens 3 Stunden
über 3.500 km mindestens 4 Stunden
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Kommt es zu einer derartigen Verspätung, ist die Fluggesellschaft dazu verpflichtet, dem Fluggast folgende Leistungen zur Verfügung zu stellen:

  • Verpflegung mit Essen und Getränken
  • zwei Telefonate, Faxe oder E-Mails (z.B. um Angehörige oder Geschäftspartner über die Verspätung zu informieren)
  • Hotelübernachtung und Transfer zwischen Flughafen und Hotel, wenn der Flug auf den nächsten Tag verschoben wurde
  • Beförderung zum ursprünglichen Zielort, wenn der Fluggast mit einem Ersatzflug zu einem anderen Flughafen einverstanden ist

Alle diese Betreuungsleistungen gehen komplett aufs Konto der Fluggesellschaft. Für den Fluggast sind sie kostenfrei.

Finanzielle Entschädigung bei großer Verspätung

Bei erheblichen Verspätungen muss sich die Fluggesellschaft nicht nur um das Wohl des Fluggastes kümmern. Stattdessen kann der Fluggast auch eine finanzielle Entschädigung verlangen. Sowohl der Europäische Gerichtshof (Az. C-402/07 und C-432/07) als auch der Bundesgerichtshof (Az. Xa ZR 95/06) haben in Urteilen bestätigt, dass der Fluggast bei einer erheblichen Verspätung den gleichen Anspruch auf finanzielle Ausgleichszahlungen hat wie bei einem annullierten Flug. Verzögert sich der geplante Start um mehr als fünf Stunden, kann der Fluggast zudem die vollständige Rückerstattung des Flugpreises fordern. Handelt es sich um einen Anschlussflug und macht eine Weiterreise mit mehr als fünfstündiger Verspätung keinen Sinn mehr, kann der Fluggast alternativ einen kostenfreien Rücktransport zum Startflughafen verlangen.

Aber Achtung: Wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass die große Verspätung außergewöhnlichen Umständen geschuldet ist und die Umstände selbst trotz aller zumutbaren Bemühungen nicht zu vermeiden gewesen wären, ist die Fluggesellschaft nicht in der Zahlungspflicht.