Reiserücktritt wegen Flugangst: So gehen Sie am besten vor

Aktualisiert am 1. Februar 2023 von Selda Bekar

Infos zu Reiserücktritt wegen Flugangst
Ein Reiserücktritt wegen Flugangst kann eine kostenfreie Stornierung begründen.

Eigentlich soll der Urlaub die schönste Zeit des Jahres werden. Doch wenn sich plötzlich große Angst vor dem Fliegen breit macht, kann schon die Anreise zum Urlaubsort zum unüberwindbaren Hindernis werden. Auch wenn Flugzeuge statistisch gesehen die sichersten Verkehrsmittel sind, ist für den Betroffenen an entspanntes Fliegen nicht zu denken. Mitunter wird die Panik vor dem Flug so groß, dass ein Antritt der Reise unmöglich wird. Nur: Was passiert bei einem Reiserücktritt wegen Flugangst? Übernimmt eine Reiserücktrittsversicherung die Stornogebühren? Oder bleibt der Betroffene auf den Kosten sitzen? Wir klären auf!

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Flugangst Test

Aviophobie – so lautet der Fachbegriff für Flugangst – beschreibt die Angstzustände vor und beim Fliegen mit einem Flugzeug. Schätzungen zufolge sind gut 15 Prozent der Deutschen von Flugangst betroffen, weitere rund 20 Prozent fühlen sich an Bord unwohl.

Wie sich die Flugangst bemerkbar macht, hängt von ihrer Stärke ab. So können Symptome wie Schlafstörungen, Albträume und ein allgemeines Stressempfinden schon Wochen vor dem Abflug in Erscheinung treten. Je näher der Flug rückt, desto mehr befindet sich der Körper in einem Erregungszustand.

Allein die Gedanken an die Geräusche und die Bewegungen des Flugzeugs oder die Angst vor einem Absturz können Schweißausbrüche, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Magen-Darmbeschwerden auslösen. Mitunter ist der Betroffene regelrecht gelähmt.

Natürlich ist niemand dazu verpflichtet, in den Flieger zu steigen. Sie müssen eine gebuchte Reise nicht antreten. Nur stellt sich dann die Frage nach den Kosten. Oder genauer: Springt eine Versicherung beim Reiserücktritt wegen Flugangst ein?

Ein Vertrag muss grundsätzlich erfüllt werden

Wenn Sie einen Flug buchen, schließen Sie durch den Ticketkauf einen Vertrag. Und an diesen Vertrag sind Sie genauso gebunden wie die Fluggesellschaft oder der Reiseanbieter. Deshalb können Sie nicht ohne Weiteres aus der Vereinbarung aussteigen. Im Gegenteil: Für Gründe, die in Ihrer Person liegen, tragen Sie ganz alleine das Risiko.

Selbst bei einer schweren Erkrankung, einem Todesfall in der Familie oder einem anderen, schwerwiegenden Schicksalsschlag ergibt sich kein Sonderkündigungsrecht. Gleiches gilt bei Flugangst.

Sie können zwar auf die Reise verzichten. Der Flieger hebt auch ohne Sie ab. Nur können Sie sich die Kosten für das verfallene Flugticket nicht erstatten lassen. Denn die Fluggesellschaft hat ihren Teil des Vertrags dadurch, dass sie den Flug wie vereinbart durchgeführt hat, erfüllt. Dass Ihr Sitzplatz leer geblieben ist, ist nicht das Verschulden der Airline.

Eine Reiserücktrittsversicherung vermeidet Stornokosten

Aus dem Vertrag kommen Sie nur dann heraus, wenn Sie die Möglichkeit für einen Reiserücktritt ausdrücklich vereinbart haben. In aller Regel erfolgt das durch eine Reiserücktrittsversicherung. Sie wird sowohl von Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern als auch Versicherungsunternehmen angeboten und oft gleich bei der Buchung empfohlen.

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Eine Reiserücktrittsversicherung sichert den Fall ab, dass Sie Ihre Reise nicht wie geplant antreten können. Tritt der Versicherungsfall ein, erstattet die Versicherung die Stornogebühren. Je nach Tarif entweder in voller Höhe oder abzüglich des vereinbarten Selbstbehalts. Wenn Sie von der gebuchten Reise zurücktreten, entsteht Ihnen so zumindest kein finanzieller Schaden.

Soweit zumindest die Theorie. Denn die Versicherung springt nicht in jedem Fall ein. Vielmehr erbringt sie nur dann eine Leistung, wenn einer der versicherten Gründe für einen Reiserücktritt vorliegt. Was als Versicherungsfall gilt und was nicht, hängt vom Tarif ab. Grundsätzlich gelten aber folgende Ereignisse als versicherte Gründe:

  • schwere Erkrankung, die plötzlich und unerwartet eintritt
  • schwerer Unfall
  • Tod eines Mitreisenden oder eines nahen Angehörigen
  • Schwangerschaft, die bei der Buchung nicht bekannt war, oder Komplikationen in der Schwangerschaft
  • schwerwiegende Schäden am Eigentum, zum Beispiel durch Feuer, Sturm, Hochwasser oder einen Einbruch
  • erhebliche Beeinträchtigungen als Opfer einer schweren Straftat
  • plötzlicher Verlust des Arbeitsplatzes oder nicht vorhersehbarer Antritt einer neuen Arbeitsstelle (mit entsprechender Urlaubssperre)
  • Vorladung als Zeuge in einem Gerichtsverfahren
  • Unverträglichkeit einer Impfung, die für das Reiseziel vorgeschrieben ist
  • Wiederholung einer Prüfung, die für die Ausbildung oder den Beruf wichtig ist
Das entscheidende Merkmal ist also generell, dass der Grund für den Reiserücktritt bei der Buchung nicht bekannt und auch nicht vorsehbar war.

Eine Reiserücktrittsversicherung zahlt nicht immer

Dass grundsätzlich nur unvorhersehbare Gründe für einen Reiserücktritt abgesichert sind, bedeutet im Umkehrschluss: Bei Gründen, die bei der Buchung schon bekannt oder absehbar waren, greift die Versicherung nicht. Deshalb sind zum Beispiel

  • chronische Erkrankungen,
  • Flugangst,
  • eine bestehende Seuchen- oder Terrorgefahr im Reiseland und
  • Gründe, die nach dem Antritt der Reise auftreten,

als Versicherungsfälle ausgeschlossen. Viele Versicherer erstatten die Stornokosten außerdem dann nicht, wenn sich der Reiserücktritt in einer psychischen Erkrankung begründet.

Andersherum bieten viele Reiseveranstalter die Möglichkeit an, gebuchte Reisen kostenfrei zu stornieren oder umzubuchen, wenn es im Reiseland beispielsweise einen schwerer Terroranschlag gab, ein Unwetter die Region verwüstet hat oder das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausspricht.

Es gibt Gerichtsurteile zum Reiserücktritt wegen Flugangst

Auch wenn chronische und psychische Erkrankungen in aller Regel nicht vom Versicherungsumfang abgedeckt sind, heißt das nicht zwangsläufig, dass die Reiserücktrittsversicherung auf keinen Fall bezahlt. Denn maßgeblich ist die aktuelle Situation.

Ein Beispiel: Sie waren schwer krank. Nachdem die Behandlung abgeschlossen und die Therapie erfolgreich war, buchen Sie einen Urlaub. Doch kurz vor Beginn der Reise bricht die Erkrankung erneut aus. In diesem Fall greift die Reiserücktrittsversicherung. Denn die Krankheit war zwar bekannt. Aber weil der Rückfall überraschend kam und so nicht vorhersehbar war, liegt eine neue, unerwartet schwere Erkrankung vor.

Auch ein Reiserücktritt wegen Flugangst kann rechtfertigen, dass die Reiserücktrittsversicherung greift. Allerdings liegen die Hürden dafür recht hoch. Das liegt unter anderem daran, dass Flugangst vergleichsweise schwer nachzuweisen ist. Außerdem muss die Angst vorm Fliegen erheblich sein und letztlich eine akute Panikattacke auslösen. Nur ein flaues Gefühl im Magen reicht nicht aus.

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Es gibt Gerichtsurteile, bei denen die Richter zugunsten des Reisenden entschieden haben und die Versicherung bei einem Reiserücktritt wegen Flugangst in der Pflicht sehen. Dazu zwei Beispiele:

Beispiel 1: Landgericht Koblenz, Aktenzeichen 14 S 251/03, Urteil vom 21.10.2004

Bei diesem Gerichtsverfahren ging es um einen Fluggast, der kurz vor dem Abflug eine Panikattacke bekam. Sie äußerte sich in Schweißausbrüchen und einem heftigen Gliederzittern. Der Flughafen-Arzt riet dem Reisenden daraufhin wegen der akuten und massiven Flugangst davon ab, die Reise anzutreten.

Der Reisende befolgte den Rat und wollte sich den Reisepreis von seiner Reiserücktrittsversicherung erstatten lassen. Doch diese verweigerte die Leistung. Zu Unrecht, wie das Landgericht Koblenz entschied. Es sah einen Versicherungsfall als gegeben.

Anders wäre es nur, wenn der Passagier die Reise bereits angetreten hätte. Dann läge aus rechtlicher Sicht nämlich kein Reiserücktritt, sondern eine Reiseabbruch vor. Ein Reiserücktritt ist nur vor Reiseantritt möglich.

Beispiel 2: Landgericht München I, Aktenzeichen 13 S 5055/06, Urteil vom 13.11.2006

Bei einer Panikattacke kurz vor dem Abflug muss die Reiserücktrittskostenversicherung die Stornogebühren übernehmen. Voraussetzung ist aber, dass der Betroffene ein Attest von einem Facharzt vorlegt. Ein Attest von einem Allgemeinmediziner genügt nicht. Zu dieser Entscheidung kam das Landgericht München.

Im vorliegenden Fall hatte den Betroffenen beim Anblick der Flugzeuge am Flughafen plötzlich eine heftige, beklemmende Angst übermannt. Laut eigener Aussage war er wie gelähmt und nicht mehr in der Lage, sein Auto zu verlassen und in die Abfertigungshalle zu gehen.

Zwei Tage später suchte der Mann einen Internisten auf. Dessen Attest reichte er bei der Reiserücktrittskostenversicherung ein. Doch sie verweigerte die Übernahme der Stornokosten. Als Begründung führte sie an, dass ein Gutachten eines Facharztes das Vorliegen einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung bestätigen müsse.

Das Landgericht München schloss sich der Begründung der Versicherung an. Im Unterschied zu körperlichen Beschwerden seien psychische Erkrankungen deutlich schwerer zu beurteilen. Deshalb kann eine Versicherung verlangen, dass ein Facharzt – in diesem Fall ein Psychiater – eine Panikattacke diagnostiziert. Das Attest eines Allgemein-Mediziners müsse sie nicht akzeptieren. Wenn aber ein Spezialist eine durch Flugangst verursachte Panikattacke bestätigt, muss die Versicherung zahlen.

Aber: Gerichtsurteile beziehen sich immer auf den Einzelfall

Auch wenn Richter schon im Sinne der Betroffenen entschieden haben, sollten Sie sich nicht darauf verlassen, dass Sie Ihr Geld bei einem Reiserücktritt wegen Flugangst wiederbekommen. Denn jede Entscheidung bezieht sich auf den konkreten Einzelfall. Und nicht nur die Umstände sind jedes Mal anders. Auch die Gerichte können zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen.

So wurde zum Beispiel vor dem Landgericht Münster ein Verfahren geführt, bei dem die Richter der Versicherung Recht gegeben hatten. Dabei ging es um einen Fall, bei dem der Betroffene unter einer Angststörung mit Panikattacken litt. Deshalb war er auch in Behandlung.

Als es zu einem neuerlichen Schub kam, wollte der Betroffene von der gebuchten Reise zurücktreten und sich die Stornogebühren von seiner Versicherung erstatten lassen. Sie verweigerte die Zahlung und bekam vor Gericht Recht. Denn der Schub sei keine unerwartet schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen (Az. 15 S 19/09).

Eine Reiserücktrittsversicherung kann Sinn machen

Vor allem wenn Sie Ihre Reise lange im Voraus buchen, kann eine Reiserücktrittskostenversicherung durchaus sinnvoll sein. Schließlich kann in der Zwischenzeit viel passieren. Können Sie die Reise dann nicht antreten, können Sie natürlich trotzdem stornieren. Nur bleiben Sie auf den Kosten sitzen, wenn Sie keine Versicherung haben.

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Wie hoch die Stornogebühren sind, hängt davon ab, wann Sie zurücktreten. Dabei gilt generell: Je weniger Zeit bis zum geplanten Reisebeginn verbleibt, desto höher ist die Quote.

Eine Reiserücktrittskostenversicherung können Sie direkt bei der Buchung Ihrer Reise abschließen. Genauso können Sie aber auch verschiedene Versicherungsangebote vergleichen und die Versicherung dann erst nachträglich abschließen.

Damit die Versicherung wirksam werden kann, müssen Sie den Vertrag spätestens 30 Tage vor Reiseantritt abgeschlossen haben. Bei einer kurzfristigeren Buchung, zum Beispiel bei einer Last Minute Reise, haben Sie für den Abschluss der Versicherung ab der Buchung maximal drei Tage Zeit.

Die Reiserücktrittsversicherung übernimmt im Versicherungsfall die Stornokosten für alle versicherten Personen, die die Reise absagen müssen. Neben Ihnen selbst sind das auch Ihre Mitreisenden, also zum Beispiel Ihr Ehegatte oder die Kinder.

Ratsam ist aber, einen Tarif ohne Selbstbehalt zu wählen. Er ist zwar ein bisschen teurer, aber die Versicherung erstattet dann den versicherten Reisepreis in voller Höhe. Haben Sie hingegen einen Selbstbehalt vereinbart, müssen Sie diesen Anteil vom Reisepreis selbst bezahlen.

Und: Wenn Sie eine Reise buchen, die gar nicht storniert werden kann, können Sie sich die Reiserücktrittsversicherung sparen. Denn wenn kein Storno möglich ist, erstattet die Versicherung auch keine Stornokosten.

Wie Sie bei einem Reiserücktritt wegen Flugangst vorgehen sollten

Bleibt aber noch die Frage, was Sie konkret tun müssen, wenn Sie Ihre Flugangst daran gehindert hat, in den Flieger zu steigen.

Zunächst einmal ist wichtig, dass Sie die Versicherung so schnell wie möglich über den Nicht-Antritt der Reise informieren. Sobald klar ist, dass und warum Sie von der Reise zurücktreten, sollten Sie sich an die Versicherung wenden.

Außerdem müssen Sie einen Facharzt aufsuchen. Bei einem Reiserücktritt wegen Flugangst ist ein Psychiater der richtige Spezialist. Natürlich können Sie sich auch schon vom Flughafen-Arzt oder von Ihrem Hausarzt eine Bescheinigung ausstellen lassen. Zumal es etwas dauern kann, bis Sie einen Termin beim Psychiater bekommen.

Aber um ein psychiatrisches Gutachten werden Sie nicht herumkommen. Denn die Versicherung wird darauf bestehen, dass der Facharzt die Diagnose stellt, dass Sie die Reise wegen einer flugangstbedingten, akuten Panikattacke nicht antreten konnten.

Und noch etwas: Sie können nur solange auf die Reiserücktrittsversicherung zurückgreifen, wie Sie die Reise noch nicht angetreten haben. Ab dem Moment des Reiseantritts greift die Versicherung nicht mehr. Das kann je nach Tarif schon dann der Fall sein, wenn Sie sich auf den Weg zum Flughafen machen. Spätestens wenn Sie eingecheckt haben, gilt die Reise aber auf jeden Fall als angetreten. Und für alles, was ab jetzt passiert, ist die Reiserücktrittsversicherung nicht mehr zuständig.

Vielmehr bräuchten Sie nun eine Reiseabbruchversicherung. Sie erstattet die Kosten für nicht genutzte Reiseleistungen, wenn Sie die Reise aus einem wichtigen Grund vorzeitig abbrechen müssen.