Reisetabletten gegen Flugangst

Aktualisiert am 1. Februar 2023 von Selda Bekar

Reisetabletten gegen FlugangstKurz vor dem Flug einfach eine Tablette gegen die Flugangst nehmen und schon kann der Flug einigermaßen entspannt ablaufen – Natürlich klingt das verlockend. Doch helfen die Präparate bei Flugangst wirklich?

Fast jeder dürfte ein etwas mulmiges Gefühl kennen, wenn das Flugzeug in Richtung Startbahn rollt, beschleunigt und der Fluggast beim Start in seinen Sitz gedrückt wird. Oder wenn das Flugzeug durch ein Gewitter fliegt. Oder bei Turbulenzen ordentlich wackelt. Eine gewisse Nervosität ist völlig normal. Schließlich ist das Fliegen für die meisten nichts Alltägliches.

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Flugangst Test

Problematisch wird es aber dann, wenn der bevorstehende Flug echte Angst auslöst. Und davon sind weit mehr Menschen betroffen, als vielleicht vermutet: Rund 15 Prozent der Deutschen leiden unter Flugangst. Um die Stresssituation zu meistern und den Flug irgendwie zu überstehen, versprechen sie sich häufig Hilfe von Reisetabletten gegen Flugangst. Ob die Flugangst aber tatsächlich wirksam mit Medikamenten bekämpft werden kann, wollen wir in diesem Beitrag klären.

Spezielle Flugangst-Medikamente gibt es nicht!

Für die Flugangst gibt es zwar einen medizinischen Fachbegriff. Dieser lautet Aviophobie. Aber die Flugangst ist keine Krankheit im klassischen Sinne. Angst ist zunächst einmal eine völlig normale und natürliche Reaktion. Sie tritt immer dann auf, wenn eine Gefahr erkannt wird. Damit ist Angst ein körpereigener Schutzmechanismus, der den Menschen davon abhält, sich unnötigen Risiken auszusetzen. Bei Flugangst wird aber eine Gefahrensituation gemeldet, obwohl eigentlich gar keine Gefahr besteht. Die Meldung ist vielmehr das Ergebnis von einer individuellen Reaktion auf Reize, die der Betroffene aus seinem subjektiven Empfinden heraus als bedrohlich einstuft. Damit erklärt sich auch, warum einige Menschen unter Flugangst leiden und andere nicht. Jedenfalls ist Flugangst keine Krankheit, sondern gehört in die Gruppe der Angststörungen. Und aus diesem Grund gibt es auch keine speziellen Medikamente, die gezielt und ausschließlich für die Behandlung von Flugangst entwickelt wurden. Stattdessen kommen Medikamente zum Einsatz, mit denen Angststörungen generell behandelt werden.

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Psychopharmaka gegen Flugangst

Die Schulmedizin kennt verschiedene Medikamente, die bei Flugangst in Betracht kommen. Bei diesen Medikamenten handelt es sich um Psychopharmaka und als Wirkstoffe sind meist

  1. Diazepam,
  2. Lorazepam oder
  3. Oxazepam

enthalten.

1.) Diazepam. Diazepam wirkt beruhigend. Dies liegt daran, dass der Wirkstoff einen Botenstoff ankurbelt, der dafür zuständig ist, die Aktivität der Nervenzellen zu hemmen. Die Wirkung eines Medikaments mit Diazepam als Wirkstoff setzt recht schnell ein. Deshalb wird ein solches Medikament meist kurz vor dem Flug oder schon während des Flugs eingenommen. Diazepam kommt aber nicht nur als Beruhigungs-, sondern auch als Schlafmittel zum Einsatz. Nach der Einnahme kann sich daher verstärkte Müdigkeit bis hin zu einer Benommenheit einstellen. Teilnahmslosigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsstörungen sind weitere mögliche Nebenwirkungen. Insgesamt gilt der Wirkstoff, der auch als Valium bekannt ist, aber als recht gut verträglich.

2.) Lorazepam. Lorazepam beruhigt und löst Angstzustände. Durch den Wirkstoff wird der Betroffene oft in eine Art Dämmerzustand versetzt und schläft häufig ein. Die Wirkung ist allerdings vergleichsweise stark und hält recht lange an. Aus diesem Grund kommen Medikamente mit Lorazepam in erster Linie bei sehr ausgeprägter Flugangst und bei Langstreckenflügen in Betracht. Problematisch an Lorazepam ist, dass der Wirkstoff bei einigen Patienten einen gegenteiligen Mechanismus in Gang setzen kann. Statt einer Beruhigung tritt dann eine Art Euphorie ein, der Betroffene ist also noch aufgeregter und aufgewühlter als zuvor. Gerade im Flugzeug kann dies fatale Folgen haben.

3.) Oxazepam. Der Wirkstoff Oxazepam wirkt ebenfalls beruhigend, löst Spannungszustände und wirkt Angst entgegen. Auch beim Einschlafen kann der Wirkstoff helfen. Die Wirkung von Medikamenten mit Oxazepam setzt aber vergleichsweise langsam ein und hält nicht allzu lange an. Dafür fühlt sich der Betroffene nach der Einnahme aber meist auch nicht so benommen wie nach der Einnahme von Medikamenten mit Diazepam oder Lorazepam. Als Nebenwirkungen können unter anderem Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und eine reduzierte Reaktionsfähigkeit auftreten.

Medikamente nur nach Absprache mit dem Arzt!

Alle Medikamente aus der Gruppe der Psychopharmaka sind verschreibungspflichtig. Und es ist auch sehr wichtig, dass sich der Betroffene mit seinem Arzt bespricht. Denn die Medikamente können Nebenwirkungen haben. Zudem besteht bei Psychopharmaka immer die Gefahr einer Abhängigkeit. Schließlich führen die Medikamente dazu, dass die Flugangst nachlässt und sich ein Gefühl der Entspannung und Beruhigung breit machen. Dass so mancher Betroffene diesen Zustand gerne erhalten möchte, ist nur verständlich. Wichtig ist zudem, die eigenen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Während der Schwangerschaft dürfen die Medikamente nicht eingenommen und auch im fortgeschrittenen Alter und bei bestehenden Erkrankungen eignen sich nicht alle Präparate. Die richtige Dosierung und die korrekte Einnahme sind ebenfalls entscheidende Faktoren, wenn es um die gewünschte Wirkung geht. Gleiches gilt für die Auslöser, die Dauer und die Intensität der Angstattacken. Auch sie müssen bei der Wahl des Medikaments berücksichtigt werden. All das kann der Betroffene in einem Gespräch mit seinem Arzt aber abklären.

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Homöopathische Medikamente gegen Flugangst

Auch die Homöopathie kennt Medikamente, die bei Flugangst helfen können. Baldrian und Johanniskraut beispielsweise sind echte Klassiker unter den natürlichen Beruhigungsmitteln. Bachblüten, Aconitum napellus, Tabacum, Argentum nitiricum und andere homöopathische Präparate können ebenfalls Linderung verschaffen. Anders als Psychopharmaka sind die natürlichen Arzneimittel in aller Regel frei verkäuflich. Und auch die Nebenwirkungen fallen oft deutlich weniger ins Gewicht. Allerdings gibt es in vielen Fällen keine wissenschaftlich fundierten Belege für die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln. Doch auch wenn der Betroffene „nur“ pflanzliche Mittel einnehmen möchte, sollte er sich zuvor von einem Arzt oder Heilpraktiker beraten lassen.

Extra-Tipp

Ein simples, aber sehr effektives Mittel gegen Flugangst ist ein Kaugummi! Das Kauen als solches hat eine beruhigende Wirkung. Pfefferminze, Eukalyptus und andere ätherische Öle wirken außerdem kühlend und krampflösend. Gleichzeitig regen sie dazu an, tief ein- und auszuatmen. Beim Kauen wird die Speichelproduktion angekurbelt. Dies wiederum wirkt dem Gefühl, in der stickigen Enge des Flugzeugs auszutrocknen, entgegen. All das führt dazu, dass der Stresspegel sinkt. Und das ganz ohne Nebenwirkungen!

2 Gründe gegen Flugangst-Medikamente

Mit Reisetabletten gegen Flugangst vorzugehen, klingt nach einer einfachen und effektiven Lösung. Schließlich beruhigen die Medikamente den Betroffenen und lösen seine Angstzustände. Dadurch wird es für den Betroffenen möglich, den Flug einigermaßen ruhig und ohne ständige Panikattacken durchzustehen. Trotzdem sollte der Betroffene Medikamente nur als allerletzte Lösung in Erwägung ziehen. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:

1.) Tabletten bekämpfen nur die Symptome, aber nicht die Ursache. Die Medikamente unterdrücken zwar die Flugangst. Und sie helfen dabei, den Moment zu meistern. Die Flugangst selbst bleibt allerdings erhalten. Wenn der Betroffene seine Flugangst dauerhaft überwinden möchte, muss er am Kern ansetzen. Er muss also die Flugangst als solches in Angriff nehmen. Es reicht nicht, wenn er nur die äußeren Anzeichen der Flugangst unter Kontrolle bringt. 2.) Medikamente wirken an Bord eines Flugzeugs anders als am Boden. Denn bei einem Flug ist der Körper anderen Belastungen ausgesetzt. Dies kann auch Auswirkungen auf die Wirkmechanismen der Medikamente haben. Arzneimittel werden zwar getestet, aber eben unter Normalbedingungen und nicht unter den Bedingungen an Bord eines Flugzeugs. Daher lässt sich nie ganz ausschließen, dass die Medikamente in der Luft stärkere, schwächere oder sogar gegenteilige Effekte hervorrufen. Hinzu kommt, dass der Betroffene durch seine Flugangst oft stärker schwitzt. Die trockene Luft im Flieger wiederum führt dazu, dass der Betroffene mehr trinkt. Beides kann dazu führen, dass die Wirkstoffe schneller wieder ausgeschieden werden und so ihre Wirkung erst gar nicht richtig entfalten können.
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Insgesamt können Medikamente eine Lösung sein, wenn die Flugangst so ausgeprägt ist, dass ein Flug anders nicht möglich ist. Aber selbst dann sollten Medikamente bestenfalls nur eine einmalige Notlösung sein, um kurzfristig Linderung zu verschaffen. Als Dauerlösung sind Reisetabletten allein schon der Nebenwirkungen wegen nicht geeignet. Und weil Beruhigungsmittel die Flugangst nur unterdrücken, aber nicht beseitigen, kann mit ihrer Hilfe die Flugangst nicht überwunden werden.

Aber:

Andererseits können Medikamente durchaus ein wertvolles Hilfsmittel sein. Nämlich dann, wenn sie sich als Notfalloption im Handgepäck befinden: Allein die Gewissheit, dass der Betroffene ein Präparat im Handgepäck hat, auf das er im Ernstfall zurückgreifen kann, kann schon sehr beruhigend wirken. Denn der Betroffene weiß, dass er für den Notfall gerüstet ist. Dadurch fühlt er sich sicherer. Welches Präparat er im Handgepäck hat, spielt dann übrigens eine untergeordnete Rolle. Und wenn der Betroffene den Flug gemeistert hat, ohne sein Hilfsmittel gebraucht zu haben, kann er das als Erfolgserlebnis verbuchen. So wächst das Selbstvertrauen – und die Flugangst verliert deutlich an Boden.

Finger weg von vermeintlichen Wunderpillen!

Sucht der Betroffene im Internet und an anderen Stellen nach Flugangst-Medikamenten, wird er auf die verschiedensten Präparate treffen. Allerdings sollte sich der Betroffene nicht von vollmundigen Versprechen blenden lassen. Es gibt keine Wunderpillen, die die Flugangst im Handumdrehen wegzaubern! Und der Betroffene kann nicht wissen, was er da eigentlich kauft. Im besten Fall handelt es sich um irgendwelche Tabletten ohne jegliche Wirkung. Im schlimmsten Fall sind die Präparate gefährlich und können zu weitaus größeren Bedrohungen für Leib und Leben werden als die Flugangst. Also: Finger weg von dubiosen Medikamenten!